Das euregionale Kochbuch - Rezepte und Geschichten aus der Euregio Belgien-Deutschland-Niederlande
 

Küchengeschichte:

Frau Resi Kalbusch, Crombach/ St. Vith, Belgien

Ich bin 1956 geboren, als zweites von vier Kindern. Meinem Vater gehörte eine alteingesessene Bäckerei in St. Vith, in der meine Mutter und sehr früh auch wir Kinder mitarbeiteten. Das hat damals niemand beanstandet. Meine Mutter war eine gute und vor allem neuen Rezepten gegenüber sehr aufgeschlossene Köchin: An Festen haben wir Weinbergschnecken mit selbst gemachter Kräuterbutter gegessen. Daran war nur schlecht, dass viele Leute den Geruch von Knoblauch nicht ausstehen konnten. Dagegen haben wir frische Petersilie gekaut, das half. Meine Liebe zum Kochen habe ich aber von meinem Vater. Er kochte schon mal alles zusammen, er improvisierte beim Kochen. Als wir Kinder mal wissen wollten, was das Durcheinander auf dem Teller sei, sagte er „Schicklicka“. Das wollten wir dann immer wieder essen, aber Vater sagte: „Das kann ich nicht mehr, ich weiß gar nicht mehr, wie ich es gemacht habe“. Wenn Vater kochte war das was Besonderes.

Als Kind habe ich oft mit Mutter zusammen gekocht. Es hieß dann immer: „Fass mal schnell mit an“, aber schnell war das nie erledigt. Leider war meine Mutter einmal sehr krank, deshalb musste ich schon sehr früh kochen und auch in der Bäckerei aushelfen. Zum Essen waren wir oft 10 – 15 Personen, weil das Personal mit uns aß. Als ich ungefähr 17 Jahre alt war, kochte ich für sie alle. Was ich gekocht habe, hat meistens geschmeckt. Ab und zu sagte mein Vater: „Heute vielleicht mal ohne Tomaten?“

Zur Bäckerei gehörte auch ein Kaffeesalon. Die Bediensteten arbeiteten sonntags nicht, da hatten sie frei. Wir Kinder halfen alle mit, bedienten die Gäste, räumten die Tische ab und spülten. Eine Spülmaschine hatten wir nicht, keiner hatte damals eine, und ich habe schon mit acht Jahren oft den ganzen Sonntag in der Küche gestanden und gespült. Abends gab es dann eine Belohnung: Wir gingen aus zum Essen. Es gab Königinnenpastetchen oder auch kalte Schnittchen. Das war für uns ein Fest. An Süßigkeiten waren wir nicht besonders interessiert, in der Bäckerei gab es immer mal ein Klümpchen.

Nach der Schule wurde ich, wie es heute heißt, zur Bäckereifachverkäuferin ausgebildet und arbeitete in unserem Geschäft bis ich heiratete und nach Crombach zog. Als ich dort die erste Kirmes erlebte und die obligatorische Aprikosentorte backen wollte, musste ich eine Nachbarin fragen, welche Zutaten ich für den Hefeteig brauchte. Sie war erstaunt: „Wie, du kommst doch aus der Backstube, wieso weißt du das nicht?“ Naja, der Vater hat den Hefeteig frühmorgens in Riesenmengen gemacht, davon haben wir uns ein Stück weggenommen, wenn wir selbst gebacken haben. Alleine hatte ich nie einen Hefeteig gemacht.

Seit sieben Jahren ungefähr gebe ich innerhalb des Landfrauen-Verbands in den einzelnen Orten Kochkurse und koche auch für Senioren, wenn sie das wünschen. Für die Kochkurse nehme ich mir jedes Jahr ein Thema vor wie Salate oder Backen. Jeder Kurs dauert drei Stunden und endet im gemeinsamen Essen. Außer über die Rezepte spreche ich auch über Ernährungsfragen oder Preisgestaltung oder schlage verschiedene Möglichkeiten für Tischdekorationen vor. Ich unterrichte auch Theorie, also wie man ein Buffet zusammenstellt, wie man es aufbaut, wie man es berechnet, wieviel dazu eingekauft werden muss bei soundsovielen Personen. Oder ich koche mit ihnen Rezepte für Diabetiker oder Schonkost.

Es kommen mal sieben, mal 25 Frauen, das ist von Ort zu Ort und von Abend zu Abend unterschiedlich. Die Gruppe erhält von mir die Materialliste und die Rezepte, sie kauft dann ein und wir kochen gemeinsam. Die Frauen kochen die Gerichte, wenn sie ihnen geschmeckt haben, was meistens der Fall ist, zu Hause auch nach. Nicht alle Frauen, denn viele kommen auch nicht wegen des Kochens selbst, sondern wegen der Geselligkeit. So viel Abwechslung gibt es in unseren Dörfern ja nicht, da sind die Kochkurse beliebte Treffpunkte, sie sind Vergnügen. Eigentlich können alle Landfrauen kochen, jedenfalls gut genug, um sich und ihre Familien zu ernähren. Die Organisation ist inzwischen einfach geworden, weil viele Landfrauen mailen und simsen, sie sind mit den modernen Kommunikationsmitteln vertraut, das erleichtert mir die Arbeit ungemein. Überhaupt sind die Frauen gut ausgestattet mit modernen Geräten in ihren Haushalten. Wir hatten während des Kurses mal einen Stromausfall und mussten die Sahne mit der Hand schlagen. Das war für die jüngeren Frauen das erste Mal in ihrem Hausfrauenleben.

Anregungen für meine Kochkurse hole ich mir schon mal aus dem Fernsehen. Ich sehe mir gerne Kochshows an und habe mir davon viel abgeschaut. Ich lerne dabei oft Neues kennen und finde sie auch unterhaltsam. Wenn die Rezepte praktikabel sind, d. h. wenn ich die Zutaten nicht zu lange in den Geschäften suchen muss, dann koche ich es schon mal nach.

Zu einem Familienfest führe ich gerne auch etwas Neues vor. Ich habe mal als Vorspeise ein „Forellenaspik“ gemacht, Forelle in Gelee von Salatgurken, gewürzt mit weißem Balsamico. Das haben sie mir stehen lassen, da sind sie nicht rangegangen. Mir selbst hat es gut geschmeckt.

Wenn ich alleine bin, esse ich schon mal ein Fertiggericht, indonesisch oder chinesisch, damit es schnell geht. Oder ich koche für mich alleine den gesamten Vormittag lang Fisch oder Innereien in allen Variationen, das gibt es beides.

Für die Familie koche ich immer selbst. Meine Kinder mussten alles, was ich gekocht habe, probieren, darauf habe ich bestanden. Aber wenn sie es nicht essen wollten, brauchten sie es nicht zu essen. Der Satz „Der Teller wird leer gegessen“ ist mir nie über die Lippen gekommen. Ich habe das als Kind im Ferienlager gehört und zuviel gegessen, sodass ich mich übergeben musste. Das war mir eine Lehre. Ich sagte immer: Nehmt soviel, wie ihr essen könnt, nehmt besser zweimal als einmal zuviel.

Für die Familie koche ich immer selbst, da gibt es auf dem Tisch keine Fertiggerichte, denn Kochen hat für mich auch etwas mit Liebe und Geben zu tun.

 

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