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Küchengeschichte:
Frau
Annemie Völker, Jülich-Welldorf, Deutschland
Ich bin 1940 in Tollhausen geboren
und habe also den Krieg und die schwierigen Nachkriegsjahre
miterlebt.
Mein Vater war Soldat. Wir konnten
ihn, das weiß ich aus den Erzählungen meiner Mutter,
bis 1943 manchmal besuchen, weil er in Deutschland stationiert
war. Aber 1943 musste er nach Russland. Von dort kam
er glücklicherweise bereits direkt nach Kriegsende 1945
zurück. Im Krieg standen in unserem Lehmkeller Notbetten.
Wenn Fliegeralarm war haben wir dort zwischen unseren
eingemachten Schätzen auf die Entwarnung gewartet, oft
auch geschlafen. Wir hatten es viel besser als diejenigen,
die einen Bunker aufsuchen mussten. Ich habe die Tiefflieger
gesehen, aber Bomben sind bei uns nicht gefallen. Wir
haben auch nicht gehungert. Meine Eltern und meine Großeltern
hatten große Gärten, die intensiv genutzt wurden. Und
dazu Kleinvieh: Hühner, Gänse und Kaninchen. Wir hatten
genug zu essen. Nachtisch gab es eigentlich immer, weil
es ja genug Obst zum Einmachen gab, und Vater machte
sogar selbst Eis. Sonntags gab es bei uns Kirsch-Streuselkuchen
nach Omas altem Rezept.
Mein Vater war Schneider, auch
meine Mutter hat viel genäht und sie haben sich damit
Tauschmöglichkeiten geschaffen. Mein schönstes Weihnachtsgeschenk
war eine Schildkrötenpuppe, die nicht gegen Genähtes,
sondern gegen ein Kaninchen eingetauscht worden war.
Wir haben nichts entbehrt, es war
eigentlich alles da außer Geld. Auch Zeit hatten meine
Eltern nie. Mein Vater saß immer auf dem Tisch und nähte,
meine Mutter arbeitete mit. Bescherung am Heiligen Abend
gab es nicht, da war in der Schneiderwerkstatt Hochbetrieb.
Bescherung gab es erst am 1. Weihnachtstag.
Wir haben nicht so üppig gelebt
wie die Jungen heute. Wir hatten zwar zu essen, aber
Geld war immer sehr knapp, besonders, nachdem nach der
Währungsreform die Leute ihre Kleider in den Geschäften
kaufen konnten und nicht mehr schneidern ließen. Wir
waren nicht auf Rosen gebettet.
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